15 - Rütscher Straße
Kriegsende
Im Januar 1941 wurde an verschiedenen Stellen in der Stadt mit dem Bau von Bunkern begonnen. Für den Bau war die städtische Bauverwaltung verantwortlich, welche die Aufträge an ortsansässige Firmen vergab, diese setzten meist Zwangsarbeiter für den Bau ein. Die Bunker wurden nie völlig fertig gebaut. Sie gaben der Bevölkerung Schutz vor Angriffen.
In den letzten Kriegstagen in Aachen drangen die amerikanischen Truppen mit zunehmender personaler und materieller Überlegenheit immer weiter in den Stadtkern vor. Der verbliebene Kommandeur der Kampfgruppe Aachen, Oberst Gerhard Wilck verteidigte mit weniger als 1.000 Mann ein immer weiter zusammenschrumpfendes Gebiet am Lousberg. Hier diente ihm der Bunker in der Rütscher Straße als Gefechtsstand, die militärische Führungsstelle für das Gefecht.
Die verbliebenen Soldaten um Wilck, motiviert von ihrem an Fanatismus grenzenden Glauben an den sog. Endsieg, in einer militärisch aussichtslosen Lage um ein wenige hundert Quadratmeter fassendes Gebiet zwischen Lousberg und Ponttor. Am 19. Oktober richtete Wilck noch folgenden Tagesbefehl an die verbliebenen Soldaten:
„Die Kampfgruppe von Aachen rüstet sich zu ihrem letzten Kampf. Auf engstem Raum zusammengedrängt wird sie sich gemäß dem Befehl des Führers bis zum letzten Mann, bis zur letzten Granate und bis zur letzten Patrone verteidigen.“(1)
Wenige Tage später am 21. Oktober als die Lage an militärischer Asymmetrie nicht mehr zu überbieten war, setzt er eine letzte Nachricht ab:
„Nach verbissenstem Ringen Haus um Haus, Mann um Mann hat die Kampfgruppe Aachen letzte Munition verschossen, Wasser und Verpflegung aufgebraucht. Reste der Verteidiger der Kaiserstadt stehen im Nahkampf am Gefechtsstand. (…) Vorher gilt letzter Gruß in unerschütterlichem Glauben an unser Recht und unseren Sieg unserer geliebten deutschen Heimat. Es lebe der Führer! [sic!]“(2)
Keine Stunde nach dieser Bekennung zum NS-Regime wich Wilck, den eigenen Tod vor Augen, jedoch von seiner Einstellung, bis zum letzten Mann zu kämpfen, ab verließ den Bunker in der Rütscher Straße und kapitulierte. Er ging mit den verbliebenen 300 Soldaten in Kriegsgefangenschaft.(3)
Seit 2002 hing an dem Bunker in der Rütscher Straße eine Gedenktafel der Wege gegen das Vergessen. Diese Tafel musste 2013 abgenommen werden, da der Bunker abgerissen wurde, um dort Wohnungen zu errichten. Nach der Fertigstellung der Wohnbebauung wurde im Juli 2019 die Tafel dort angebracht.
Außer den Hochbunkern gab es noch unterirdische Stollen und Splitterschutzgräben. Bunker gab es in der Monheimsallee (unterirdische), Römerstraße, Südstraße, Kongressstraße, Saarstraße, Fringsgraben, Junkerstraße, Sandkaulstraße, Kasinostraße, Zeppelinstraße, Scheibenstraße, Lütticher Straße, Rütscherstraße, Försterstraße und Rehmannstraße. Nach dem Krieg dienten einige Bunker als Wohnungen, bis heute sind einzelne von ihnen noch im Stadtbild zu finden, z.B. als Musikbunker, umgebaut zu Wohnungen oder als leerstehende Gebäude.
(1) BArch, RH 24-81/111, Bl. 52.
(2) BArch, RH 24-81/111, Bl. 56.
(3) Wilck, Gerhard: Die 246. Volks-Grenadierdivision in der Zeit von September bis November 1944, in: Poll, Bernhard (Hrsg.): Das Schicksal Aachens im Herbst 1944, in: Sonderdruck ZAGV, Bd. 73 (1961), Aachen 1962, S. 121.
Ergänzende Literatur:
Heckmann, Dieter: „Halten bis zum letzten Mann…“. Der Kampf um Aachen im Herbst 1944, Aachen 2003.
Wilck, Gerhard: Die 246. Volks-Grenadierdivision in der Zeit von September bis November 1944, in: Poll, Bernhard (Hrsg.): Das Schicksal Aachens im Herbst 1944, in: Sonderdruck ZAGV, Bd. 73 (1961), Aachen 1962.