29 - Grüner Weg/Lombardenstraße
Das Lager
Am Grünen Weg waren 1885 Holzbaracken errichtet worden, die nacheinander als Seuchenlazarett, als Kaserne und Ende der zwanziger Jahre als Obdachlosenheim verwendet wurde. Während des 2. Weltkrieges waren hier Jüdinnen und Juden aus der Region interniert, später dann auch Zwangsarbeiter untergebracht. Ab April 1941 mussten die jüdischen Aachener*innen spätestens ihre Wohnungen und Häuser verlassen. Sie wurden gezwungen, in sogenannte Judenhäuser zu ziehen. Das waren größere und kleinere Gebäude, die als Zwangsunterkünfte eingerichtet worden waren und nicht selten zuvor "arisiert" wurden. "Judenhäuser" befanden sich in Aachen in der Alexanderstraße, der Königstraße, der Eupener Straße, der Promenadenstraße, der Theaterstraße, der Försterstraße, im Drosselweg und auf Kalverbenden. Die Menschen lebten hier unter unvorstellbaren Bedingungen. Die Zimmer waren überbelegt, es gab nicht genügend Toiletten und fast keine Küchen.
Das vormalige Obdachlosenheim am Grünen Weg wurde in ein ”Judenlager” umfunktioniert. In den heruntergekommenen Holzbaracken, mit völlig unzureichenden Sanitäranlagen und ohne jegliche Luftschutzmaßnahmen, verbrachten viele Jüdinnen und Juden ihre letzten Wochen und Monate bevor sie deportiert wurden. Insgesamt sieben Deportationstransporte gingen von Aachen aus, davon vier mit Menschen, die zuvor im „Lager Grüner Weg“ waren. Am 22. März 1942 wurden Menschen aus dem Lager zum Westbahnhof gebracht, von dort aus fuhr der Zug in das Durchgangslager Izbica.[1] Ob einer die Strapazen der langen Fahrt und die alltäglichen Quälereien im Lager überlebt hat, ist nicht bekannt.
Nachdem Ende 1942 die letzten jüdischen Aachener aus dem Lager Grüner Weg abtransportiert worden waren, wurden andere Menschen dort eingesperrt: Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen. Die waren meist aus den von der Deutschen Wehrmacht besetzten Ländern in Osteuropa, zum Beispiel Polen und der damaligen Sowjetunion, zur Arbeit nach Deutschland verschleppt worden. Das „Lager Grüner Weg“ befand sich in unmittelbarer Nähe zu den großen Industriebetrieben an der Jülicher Straße, in denen viele der Zwangsarbeiter*innen arbeiten mussten. Bis Kriegsende waren hier bis zu 250 Zwangsarbeiter*innen untergebracht. Zu Fuß und natürlich streng bewacht marschierten sie jeden Morgen vom Appell im Lager zum Arbeitseinsatz in die verschiedenen Betriebe und auf die Baustellen in der Stadt.
Polnischen und russischen Zwangsarbeiter*innen war es bei Strafe verboten, bei Luftangriffen in Bunkern Schutz zu suchen. Am 7. Juli 1944 wurden auf Befehl des Leiters der Außendienststelle Aachen der Staatspolizeistelle Köln, Kriminalrat Richard Bach, im Lager Grüner Weg neun Personen erhängt, eine weitere Hinrichtung hatte drei Tage zuvor stattgefunden.[2] Es sollte ein Exempel statuiert werden, um die Menschen einzuschüchtern, denn die Nachricht von der Landung der Alliierten in der Normandie hatte die Hoffnung auf baldige Befreiung genährt.
[1] Online abrufbar unter: 22.03.42 nach Izbica (statistik-des-holocaust.de)
[2] Vgl. Kraus, Thomas; Thomes, Paul: Zwangsarbeit in der Stadt Aachen. Ausländereinsatz in einer westdeutschen Grenzstadt, Aachen 2002, S. 130.
Ergänzende Literatur:
Lepper, Herbert: Von Der Emanzipation zum Holocaust. Die israelitische Synagogengemeinde zu Aachen 1801-1942, Aachen 1994.
Kraus, Thomas; Thomes, Paul: Zwangsarbeit in der Stadt Aachen. Ausländereinsatz in einer westdeutschen Grenzstadt, Aachen 2002.
Weinmann, Martin (Hrsg.): Das nationalsozialistische Lagersystem (CCP), Frankfurt am Main 1998.