27 - Limburger Straße 22, Otto Blumenthal
Otto Blumenthal
Otto Blumenthal wurde 1876 in Frankfurt geboren. Sein Vater war Arzt, weswegen der Sohn wahrscheinlich zunächst Medizin studierte. Er entdeckte aber bald seine Leidenschaft für die Mathematik und wechselte seine Studienrichtung. Nach erfolgreichem Studium übernahm er 1905 den Lehrstuhl für Mathematik an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule in Aachen. Er und seine Frau Mali waren beide Protestanten, doch die Großeltern der beiden waren Jüdinnen und Juden. Dies sollte ihnen später zum Verhängnis werden. Otto und Mali hatten zwei Kinder: Margrete (1911 geboren) und Ernst (geboren 1914).
Am 7. April 1933 wurde von der Nazi-Regierung das Gesetz zur „Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ erlassen. Otto Blumenthal wurde vom ASTA, dem Allgemeinen Studentenausschuss der RWTH Aachen, als Kommunist denunziert. Deshalb wurde er am 27. April 1933 aus dem Hochschuldienst entlassen und in 'Schutzhaft' genommen. Aus dieser wurde er nach zwei Wochen entlassen, durfte aber nicht mehr an der Hochschule arbeiten. Im Oktober zogen die Blumenthals in ihr neues Haus an der Limburger Straße. Die Kinder Margrete und Ernst schickten die Blumenthals nach England, damit sie vor den Nazis in Sicherheit wären. Sie selbst blieben zunächst noch in Aachen, ehe sie im Juli 1939 nach Delft in die Niederlande emigrierten. Freiwillig war diese Auswanderung natürlich nicht – sondern eine Flucht aus Nazideutschland. In Delft fand Otto Blumenthal eine Stelle an der Uni. Trotzdem lebte er in sehr bescheidenen Verhältnissen. Doch auch in den Niederlanden kehrte für die Blumenthals keine Ruhe ein. Nach dem Beginn des 2. Weltkrieges und vor allem nach dem deutschen Überfall auf die Niederlande im Mai 1940 mussten sie immer wieder von einer Bleibe in die andere umziehen. Ab 1942 bekamen sie die Schikanen gegenüber Jüdinnen und Juden immer stärker zu spüren. Einem ersten Abtransport ins KZ, ins Konzentrationslager, konnten sie, durch das Wirken des Utrechter Pastors Duyvendak, noch entgehen. Am 13. April 1943 wurde bekannt gegeben, dass Utrecht, die Stadt, in der die Blumenthals nun lebten, bis zum 23. April von Juden „ausgeräumt“ sein sollte. Otto und Mali mussten sich bis zum 22. April im Außenlager Vught des Konzentrationslagers s´Hertogenbosch einfinden. Kurze Zeit später wurden sie ins Lager Westerbork weiter verlegt. Mali Blumenthal war schon sehr krank und starb am 21. Mai 1943 im Lager. Otto Blumenthal wurde am 20. April 1944 ins KZ Theresienstadt verlegt, wo schon seine Schwester war. Dort beschäftigte er sich wieder mit der Mathematik und hielt für die anderen Menschen im Lager Vorträge, um sie vom Alltag abzulenken. Aber der Tod seiner Frau und die unmenschlichen Zustände im KZ Theresienstadt zehrten an seinen Kräften. Eine Lungenentzündung und eine Ruhr-Erkrankung überstand er noch, die Tuberkulose nicht mehr - er starb am 12. November 1944.
Tafeltext
In diesem Haus wohnte von 1933 bis zu seiner Emigration 1939 Otto Blumenthal. Seit 1905 wirkte er als Professor für Mathematik an der RWTH Aachen. Trotz seines Engagements für die Hochschule wurde er 1933 aus rassischen und politischen Gründen entlassen. 1938 beendete ein Arbeitsverbot auch seine anderen wissenschaftlichen Tätigkeiten. Er emigrierte 1939 in die Niederlande, wurde dort nach der deutschen Besetzung 1940 interniert und starb 1944 im Konzentrationslager Theresienstadt.
Ergänzende Literatur:
Volkmar Felsch: Der Aachener Mathematikprofessor Otto Blumenthal, in: Volkshochschule Aachen (Hrsg.): Beiträge zur Geschichte des Nationalsozialismus
in Aachen, Aachen 2012.
Volkmar Felsch: Otto Blumenthals Tagebücher: Ein Aachener Mathematikprofessor erleidet die NS-Diktatur in Deutschland, den Niederlanden und
Theresienstadt, Konstanz 2011.