03 - Jakobstraße, „Wehrhafter Schmied“
Zeugen Jehovas
In der Gaststätte gegenüber von dieser Tafel gab es vor dem II. Weltkrieg einen Saal, der ganz unterschiedlichen Vereinigungen als Treffpunkt diente. In regelmäßigen Abständen trafen sich hier auch die Bibelforscher, wie seiner Zeit die Zeugen Jehovas genannt wurden. Im Aachener Raum gehörten dem Kreis ungefähr 50 Personen an. Ihre gesellschaftliche Akzeptanz änderte sich mit der Machtübernahme ganz erheblich. 1933 wurde die Religionsgemeinschaft verboten und konnte nur im Untergrund überleben. Nach ihrem Verständnis von Christentum verlangten sie von ihren Mitgliedern eine strikte politische Neutralität. Jegliche Form der Unterstützung einer parteinahen Organisation, die Übernahme von Arbeiten in Rüstungsbetrieben oder die Ableistung des Wehrdienstes lehnten sie daher ab. Ihre Einstellung drückte sich außerdem darin aus, dass sie den Hitlergruß als offizielle, verpflichtende Grußformel nicht anwendeten. Daraufhin stuften die Partei alle Bibelforscher als Staatsfeinde ein. Ziel ihres Widerstand war jedoch nicht der politische Umsturz, sondern das Beharren auf Religions- und Gewissensfreiheit.
Als die ersten Sanktionen bekannt geworden waren, trafen sich die Bibelforscher nur noch Privat zu Bibelabenden und zur Planung von bestimmten Aktionen. So gab es große Flugblattaktionen in denen sie auf Details von Verhaftungen und den Zuständen in den Lagern hinwiesen. Trotz vieler Sanktionen gelang es der Organisation aber stets, ihre Mitglieder mit Literatur, die im Ausland oder im Untergrund gedruckt worden war, zu versorgen. Von der relativ kleinen Aachener Gruppe sind nur wenige Einzelschicksale bis heute zu bekannt. Fast alle sind früher oder später von der Gestapo entdeckt, verhaftet, verhört und in die Konzentrationslager gebracht worden. Dort trugen sie die gleichen gestreiften Anzüge wie die übrigen Häftlinge, allerdings mit einem lila Winkel am Oberarm. Misshandlungen und Erschießungen, die als Exempel an ihnen in den Lagern statuiert wurden, sollten die Bibelforscher unter Druck setzen. Ihre Briefe an die Angehörigen versah die Lagerverwaltung mit einem speziellen Stempel, der sie weiterhin „hartnäckige Bibelforscher“ einstufte. Für die Adressaten war daran aber deutlich zu erkenne, dass sie an ihrer Überzeugung festhielten.
Die Verhaftungen zerissen die Familien, Väter verschleppte man in die Lager, die Mütter wurden schikaniert und erhielten keine öffentliche Unterstützung. Nachdem man den Eltern das Sorgerecht von Staats wegen entzogen hatte, kamen die Kinder in eine Pflegefamilie in einer anderen Stadt. Eine erste Auswertung für den Aachener Raum ergab, dass jeder Vierte in eine Lager verschleppt und jeder Zehnte seine Einstellung mit dem Leben bezahlte. Diese Zahlen entsprechen ungefähr dem landesweiten Durchschnitt.
Ergänzende Literatur:
Grabenkamp, Horst: Zeugen Jehovas, in: Volkshochschule Aachen (Hrsg.): Beiträge zur Geschichte des Nationalsozialismus in Aachen, Aachen 2012.