04 - Ludwigsallee, „Marienburg“
Militarismus
Fast genau in der Mitte der Ludwigsallee, an ihrem höchsten Punkt, steht als Teil des zweiten städtischen Mauerringes, der mächtige Rundbau der Marienburg. Seinen Namen erhielt er in Erinnerung an die Grundsteinlegung am 14.08.1512 am Vorabend des Festes 'Maria Himmelfahrt'. Die Bastion bot Platz für schwere Geschütze, die die Stadt vor feindlichen Angriffen von den gegenüberliegenden Höhenzügen schützen sollte. 1638 eroberten die spanischen Truppen des Generals Marquis de Grana die Marienburg. Seither sind auf der Feldseite Mauerwerksblöcke mit halbrund herausgemeißelten Kugeln eingelassen, die es als eine Art 'Kriegerdenkmal' ausweisen.
Schon um 1929 gab es Pläne, dort eine Gedenkstätte für die toten Soldaten des 1. Weltkrieges, die aus Aachen stammten, zu errichten. Aber erst während der NS-Herrschaft wurde dieser Bau realisiert. Im Inneren blickt man auf den zentralen Gedenkstein, der an ein mittelalterliches Grabmal erinnert und auf der Oberseite die Konturen eines Soldaten in Uniform zeigt. Auf einem gedrungenen Sockel an der Rückwand steht eine bronzene Schale, in der lange Zeit ein ewiges Licht brannte.
Die Einweihung der Marienburg als „Ehrenmal“ fand am 6. August 1933 statt - ein halbes Jahr, nachdem Hitler als Reichskanzler in Berlin die Macht übernommen hatte. Die markige, von Militarismus geprägte Eröffnungsrede hielt Aachens damaliger NSDAP-Oberbürgermeister Quirin Jansen:
„Zu Tausenden strömen sie in diesen Tagen zum Ehrenmal des Westens, zur Aachener Kriegergedächtnisstätte, dem Marienturm, um dort das Andenken an die Kameraden zu erneuern, die mit ihnen im feldgrauen Rock hinauszogen zum Schutz des Vaterlandes, und die nicht wiederkehrten, als das blutige Ringen zu Ende war. Frontgeist verbindet sie noch heute, die Lebenden und die Toten des großen Krieges. Frontgeist wirbt um alle deutschen Herzen. Aus dem Samen der Schlachtfelder wächst deutsche Zukunft. Aachen neigt sich in Dankbarkeit vor den toten Soldaten und grüßt die Lebenden: Siegheil! [sic!]“
Beteiligt an dieser Einweihungsfeier waren auch Studenten verschiedener Studentenverbindungen, die im Rahmen des Deutschen Studententages Anfang August 1933 in Aachen waren. Gemeinsam mit Abordnungen der NSDAP, der SS, der SA und des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes marschierten sie mit großem Gepränge zum 'Ehrenmal'.
Im 2. Weltkrieg wurde die Marienburg schwer beschädigt. 1955 wurde sie – ganz im alten Stil und im alten Geist - wieder als 'Ehrenmal' eingeweiht. Auf der damals neu angebrachten Hinweistafel wird die ursprüngliche Einweihung der Gedenkstätte durch den NS-Oberbürgermeister Jansen nicht erwähnt. Bis 1992 fanden an dieser Stelle am Totensonntag, also dem Sonntag nach dem 'Volkstrauertag', an dem aller Opfer der Kriege und der NS-Zeit gedacht wurde, sog. 'Heldengedenkfeiern' militärischer Traditionsverbände statt. Dort versammelten sich neben Politiker*innen und Bundeswehr teilweise auch rechtsextreme und geschichtsrelativierende Organisationen.
Ergänzende Literatur:
Helg, W.: Geschichte der Marienburg, Aachener Anzeiger, 01.06.1932.
o. A.: Den Toten Helden geweiht!, Aachener Anzeiger, 07.08.1933.
Poll, Bernhard: Geschichte Aachens in Daten, Aachen 2003, S. 312.