Fenster in die Geschichte - Wege gegen das Vergessen
Seit 26 Jahren leisten die "Wege gegen das Vergessen" in Aachen unverzichtbare Arbeit zur Erinnerung an die NS-Geschichte der Stadt. Die bewegende Erinnerungsarbeit wird nun im Aachener Stadtraum sichtbar gemacht. Mit der Ausstellung "Fenster in die Geschichte – Wege gegen das Vergessen" zeigen die Volkshochschule Aachen und der Förderverein Wege gegen das Vergessen e.V. an verschiedenen Stationen in der Aachener Innenstadt die Aufarbeitung der NS-Geschichte und öffnen den Raum für eigene Ideen und Engagement.
Die Ausstellung im Aachener Stadtraum ist vom 10. November 2024 bis 27. Januar 2025 zu sehen.
Die erste Station im Foyer der Volkshochschule Aachen kann während der Öffnungszeiten der vhs Aachen besucht werden. Alle anderen Stationen sind in Schaufenstern im Stadtraum jederzeit sichtbar.
Ausstellungseröffnung
Die Vernissage hat am Sonntag, 10. November, 2024 stattgefunden.
Finissage
27.01.2025 18:30 Uhr
vhs Aachen, Peterstr. 21-25, Forum (Raum 241)
Führungen
- Donnerstag, 14. November 2024, 15-16:30 Uhr (Link zur Anmeldung)
- Donnerstag, 12. Dezember 2024, 15-16:30 Uhr (Link zur Anmeldung)
- Donnerstag, 23. Januar 2025, 15-16:30 Uhr (Link zur Anmeldung)
Treffpunkt: vhs Aachen, Peterstr. 21-25, Foyer (2. OG)
Die Führungen zur Ausstellung sind kostenfrei. Eine Anmeldung ist über die oben angegebenen Links oder telefonisch unter +49 241 4792-111 möglich.
Die Stationen
Am Ausgangspunkt im Foyer der vhs Aachen werden die Anfänge der Gedenkarbeit in Aachen anhand von Biografien und zentralen Ereignissen für die Aachener Erinnerungskultur aufgezeigt sowie Schlaglichter auf die Geschichte und Gegenwart des Umgangs mit der NS-Geschichte in Aachen geworfen.
Die Ausstellung endet am Theaterplatz 14. Dort arbeitete die Aachener Gestapo in einem Teil des ehemaligen Regierungsgebäudes. In den kommenden Jahren wird an diesem historischen Ort eine zentrale Gedenkstätte entstehen.
Die Stationen im Überblick:
1. Volkshochschule Aachen, Peterstraße 21-25. Foyer (2. Etage)
2. Ladenlokal, Krämerstraße 2
3. Meffi.s Soziokulturelles Zentrum am Büchel, Mefferdatisstraße 14-18
4. Bürgerservice Katschhof, Johannes-Paul-II.-Straße 1
5. Sparkasse Aachen, Münsterplatz 7
6.Hochschule für Musik und Tanz, Theaterplatz 16
7. NS-Gedenkort der vhs Aachen, Theaterplatz 14, Eingang Borngasse
Die erste Station im Foyer kann während der Öffnungszeiten der vhs Aachen besucht werden. Alle anderen Stationen sind in Schaufenstern im Stadtraum jederzeit sichtbar.
An allen Stationen finden sich QR-Codes, die auf Informationen zur thematischen Vertiefung oder zum Mitmachen verweisen.
Die Betrachter*innen sind eingeladen, eigene Ideen für den zukünftigen NS-Dokumentationsort und die Gestaltung einer lebendigen Erinnerungskultur in Aachen einzubringen.
Hintergrund
Seit 26 Jahren gibt es die "Wege gegen das Vergessen", das Erinnerungsprojekt an die NS-Geschichte der Stadt Aachen. Getragen von der vhs Aachen und unterstützt durch den gleichnamigen Förderverein sind es seit Gründung vor allem engagierte Bürger*innen der Stadt Aachen, die in dieser und anderen Initiativen die Aufarbeitung der Aachener NS-Geschichte vorantreiben. Die "Wege gegen das Vergessen" haben dieses insbesondere in den mittlerweile 43 Gedenktafeln in und um Aachen zum Ausdruck gebracht.
Eine weitere erinnerungskulturelle Spur im Stadtbild legen die rund 150 Stolpersteine des Kölner Künstlers Gunter Demnig. Sie werden von der Initiative "Gedenkbuchprojekt für die Oper der Shoah" und zahlreichen anderen Bürger*innen realisiert. Die Ausstellung macht diese Erinnerungsarbeiten sichtbar.
Weitere Informationen unter: Fenster in die Geschichte - Gegen das Vergessen
...es geschah in Aachen
Aufbau. Vernichtung. Neubeginn
Menschen jüdischen Glaubens lebten seit der Zeit Karls des Großen in Aachen. Ihre rechtliche Gleichstellung mit den anderen Bürgern erhielten sie allerdings erst im 19. Jahrhundert, nach der Besetzung des linksrheinischen Gebiets durch die Franzosen in der Folge der Französischen Revolution. Die Juden wurden erstmals Staatsangehörige mit allen Rechten, konnten ihren Aufenthaltsort frei bestimmen und ihr Gewerbe frei ausüben.
Nach Auskunft der Bevölkerungsregister des Jahres 1812 gab es in Aachen bei einer Gesamtbevölkerung von 31.137 Personen 87 Juden.
Die Mitglieder der jüdischen Gemeinde kamen aus vielen verschiedenen Berufsgruppen. Daran orientiert, musste jedes Gemeindemitglied nach seinen wirtschaftlichen Möglichkeiten einen höheren oder niedrigeren Betrag an die Synagogengemeinde entrichten.
Die Wohnungsorte der jüdischen Familien waren nicht auf einen bestimmten Stadtteil Aachens begrenzt, sondern verteilten sich - ihren Vermögensverhältnissen entsprechend - auf das gesamte Stadtgebiet.
Im Jahr 1847 erließ die preußische Regierung ein Gesetz, das die Verhältnisse in den jüdischen Gemeinden neu regelte. Damals wurde erstmals festgelegt, dass sich jede größere Gemeinde als Körperschaft des öffentlichen Rechts selbst verwalten sollte. Darunter fielen unter anderem die Wahl eines Vorstandes und die Erhebung der Mitgliedsbeiträge. Zudem wurden alle, die im Gemeindegebiet wohnten, automatisch Mitglieder der Gemeinde. In der Zwischenzeit wurde die Gemeinde so groß, dass man ab 1850 sogar einen eigenen Rabbiner einstellen konnte.
Im Ersten Weltkrieg verloren auch jüdische Soldaten aus Aachen ihr Leben; einige von ihnen wurden auf dem „Ehrenfriedhof“ im Aachener Waldfriedhof beigesetzt.
Am 30. Januar 1933 ernannte Reichspräsident Hindenburg den Chef der Nazipartei, Adolf Hitler, zum Reichskanzler. Der Anteil der jüdischen Aachener an der Gesamtbevölkerung betrug zu diesem Zeitpunkt ganze 0,83 %: 1.345 der 162.774 Aachener Bürger waren Juden.
Bei der ersten, staatlich organisierten Terrormaßnahme gegen die jüdische Bevölkerung, dem „Boykott-Tag” am 1. April 1933, erhielt auch die Aachener NSDAP von der Parteileitung genaue Anweisungen zur Durchführung der Aktion.
Eine neue Qualität der Unterdrückung brachten die „Nürnberger Gesetze” vom 15. September 1935.
Das „Reichsbürgergesetz” unterschied zwischen „Reichsbürgern als Trägern der vollen politischen Rechte” (dies konnte kein Jude sein) und bloßen „Staatsangehörigen” und machte so die Juden zu Bürgern zweiter Klasse.
Die Entrechtung der jüdischen Bürgerinnen und Bürger erreichte im Jahr 1938 einen neuen Höhepunkt. Zum einen wurde ihnen durch eine rücksichtslose Ausschaltung aus dem Wirtschaftsleben die letzte verbliebenen Existenzmöglichkeit geraubt, zum anderen drangen die neuen Gesetze tief in das Privatleben jüdischer Bürger ein. Beispielsweise durften sie nur noch bestimmte Vornamen tragen, die Pässe wurden mit einem ”J” gekennzeichnet.
In der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 wurden überall im Deutschen Reich Synagogen in Brand gesteckt und jüdische Geschäfte verwüstet auch in Aachen. Im Regierungsbezirk Aachen wurden in dieser Nacht Juden in “Schutzhaft” genommen - insgesamt 268, davon 69 aus Aachen Stadt - und in die Konzentrationslager Buchenwald und Sachsenhausen deportiert.
Nach der Pogromnacht wurde das Leben für die Juden in Deutschland noch unerträglicher. Sie wurden gezwungen, ihre Wohnungen zu verlassen und in „Judenhäuser” zu ziehen. Als großes Sammellager diente das ehemalige Obdachlosenasyl am Grünen Weg. Ehepaare mit einem jüdischen Partner mussten in einem Haus in der Försterstraße wohnen.
Am Ende stand die Deportation in die Vernichtung. Mehrere Züge brachten die jüdischen Aachenerinnen und Aachener in die Vernichtungslager. Im September 1944 rollte der letzte Transport in den Tod - sechs Wochen vor der Befreiung Aachens durch amerikanische Truppen.
Nach dem 2. Weltkrieg war de facto nichts mehr vom jüdischen Leben in Aachen des 19. und frühen 20. Jahrhundert übrig geblieben. Nur eine Handvoll von Juden kehrte in ihre alte Heimat zurück und begann, das Gemeindeleben wieder aufzubauen.
Wegen der zu erwartenden hohen Kosten musste man seinerzeit auf einen Neubau der Synagoge am alten Standort verzichten. Die Gemeinde konnte stattdessen ein Haus an der Oppenhoffallee ankaufen und es zu einer Synagoge umbauen.
1995 schließlich wurde am alten Standort eine neue Synagoge eingeweiht. Über dem Eingang steht – wie bei der historischen Synagoge von 1862 - die Inschrift: “Mein Haus soll genannt werden ein Bethaus für alle Völker.”
Die Ausstellung "...es geschah in Aachen" wurde von Schülerinnen, Lehrerinnen und Lehren des Gymnasiums St. Ursula mit Unterstützung der Wege gegen das Vergessen erstellt. Sie greift zurück auf die gleichnamige Ausstellung, die zum 70. Jahrestag des Novemberpogroms 2008 von den Wegen gegen das Vergessen realisiert worden war.
Sie kann bei den Wegen gegen das Vergessen ausgeliehen werden: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Sie steht Ihnen aber hier auch als PDF zur Verfügung:
Aufbau
Zerstörung
Neubeginn
"...nach Auschwitz verzogen" - Der Völkermord an den Sinti und Roma
Wanderausstellung 2015
In Deutschland sind Sinti und Roma seit mehr als 600 Jahren beheimatet. 1407 wurden sie in Hildesheim erstmals urkundlich erwähnt. Ausgrenzung, Diskriminierung und Verfolgung kennzeichnen fast von Anfang an ihren Lebensweg. Schon auf dem Augsburger Reichstag wurden die „Zigeuner“, wie man sie bezeichnete, für „vogelfrei“ erklärt. Das hatte zur Folge, dass sie Übergriffen und Verfolgung schutzlos ausgeliefert waren.
Ausgrenzung, Diskriminierung und Verfolgung sind seitdem für die Geschichte der Sinti und Roma kennzeichnend. Phasen der Verfolgung wechseln mit kurzen Phasen der Duldung ab.
1899 begann in Bayern eine systematische Überwachung von Sinti und Roma, die bald auf ganz Deutschland ausgedehnt wurde. 1926 wurde eine "Zigeunerpolizeistelle" eingerichtet. Bei der Registrierung wurden allen Betroffenen Fingerabdrücke abgenommen. Auf diese Register konnten ab 1933 die nationalsozialistischen Behörden zurückgreifen.
1935 übertrugen die NS-Behörden die Regelungen der rassistischen „Nürnberger Gesetze“ auch auf die etwa 30.000 in Deutschland lebenden Sinti und Roma. Sie wurden damit, wie die jüdischen Bürgerinnen und Bürger, als „undeutsch“ zu Menschen zweiter Klasse erklärt.
Ab 1936 übernahm die "Reichszentrale zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens", eine Abteilung des Reichskriminalpolizeiamts, die zentrale Registrierung der Sinti und Roma in Deutschland. Auf diese Unterlagen konnten die Behörden bei den dann später folgenden Deportationen von Sinti und Roma in die Vernichtungslager zurückgreifen.
Ab 1939 wurden allen Sinti und Roma ihre deutschen Pässe abgenommen. Stattdessen erhielten sie "Rasseausweise", in die ein "Z" gestempelt war. Nach dem deutschen Überfall auf Polen, dem Beginn des Zweiten Weltkrieges, entstehen erste Pläne zur Deportation von Sinti und Roma.
Heinrich Himmler, der Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei, ordnete im sogenannten Auschwitz-Erlass vom 16. Dezember 1942 die Deportation der in Deutschland lebenden Sinti und Roma an. In den Ausführungsbestimmungen, die das Reichskriminalpolizeiamts am 29. Januar 1943 herausgab, hieß es:
„Auf Befehl des Reichsführers SS vom 16.12.42 – Tgb. Nr. I 2652/42 Ad./RF/V. – sind Zigeunermischlinge, Rom-Zigeuner und nicht deutschblütige Angehörige zigeunerischer Sippen balkanischer Herkunft nach bestimmten Richtlinien auszuwählen und in einer Aktion von wenigen Wochen in ein Konzentrationslager einzuweisen. Dieser Personenkreis wird im nachstehenden kurz als 'zigeunerische Personen' bezeichnet. Die Einweisung erfolgt ohne Rücksicht auf den Mischlingsgrad familienweise in das Konzentrationslager (Zigeunerlager) Auschwitz.“
Am 26. Februar 1943 traf der erste Transport von Sinti und Roma im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau ein.
Auch wenn sich die Gesamtzahl der Opfer nur schwer genau angeben lässt, so wird der Massenmord an den Sinti und Roma während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft übereinstimmend als Völkermord gekennzeichnet.
Unsere Ausstellung "...nach Auschwitz verzogen" dokumentiert die Verfolgung von Sinti und Roma in der NS-Zeit anhand von Beispielen aus Aachen und Stolberg.
Sie kann bei den Wegen gegen das Vergessen ausgeliehen werden: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Sie steht Ihnen aber auch hier als PDF zur Verfügung.
Die Ausstellung wurde 2015 im Rahmen des Projektes "Me son rom - Ich bin ein Mensch: Sinti und Roma in Geschichte und Gegenwart“ vom Förderverein Wege gegen das Vergessen mit finanzieller Unterstützung durch die Landeszentrale für politische Bildung NRW realisiert.