Levy, Ruth
Heinrich, Selma und Ruth Levy, Heinrichsallee 59
Heinrich Levy wurde am 3. April 1888 in Aachen Haaren als vierter Sohn des Viehhändlers Isaak und seiner Frau Sibilla (geb. Herz) geboren. Er war Kaufmann und heiratete die 1900 in Dehrn (Runkel), Kreis Limburg, geborene Frieda Levy. Am 28. Mai 1924 wurde in Haaren die Tochter Ruth Levy geboren. Frieda Levy starb im Kindbett.
Im Dezember 1924 heiratete Heinrich Levy in zweiter Ehe die am 13. Januar 1887 in Gindorf bei Grevenbroich geborene Selma Baum, die die Mutterrolle für das Baby Ruth übernahm. Die Familie wohnte zunächst in Haaren, zog später nach Aachen in die Adalbertstraße und dann in eine Wohnung im Haus Heinrichsallee 59. In dem Haus, das im Krieg zerstört wurde, war auch die Handelsniederlassung des Textilhandels der Gebrüder Emil und Heinrich Levy.
Wie schwierig die Situation in Aachen für die Familie in den 30er Jahren wurde, zeigt auch ein Zeitungsartikel im Westdeutschen Beobachter vom 21.7.1938 mit dem Titel „Jüdische Verbrechersippe am Werk - Der Aachener Jude Levy als Hintermann eines gemeinen Devisenverbrechens“. In dem Artikel wird der „jüdische Kaufmann Heinrich Levy, Aachen, Heinrichsallee“ aufs Übelste beschimpft, weil er versucht hat, seinem nach Belgien geflohenen Bruder Geld zukommen zu lassen, das dann an der Grenze entdeckt und beschlagnahmt wurde.
Anfang 1942 war Heinrich Levy als Zwangsarbeiter im Lager Rhenaniastraße in Stolberg interniert. Sein Name findet sich auf einer Liste von 20 Zwangsarbeitern, die am 20./21. März 1942 für die bevorstehende Deportation von Stolberg zu ihren früheren Wohnorten abgemeldet wurden. Für Heinrich Levy ist dort als neue Adresse das Lager Grüner Weg 12 in Aachen angegeben, wo sich seine Frau und seine Tochter wahrscheinlich schon seit Frühjahr 1941 befanden.
Am 22. März 1942 wurde Heinrich, Selma und Ruth Levy von dort aus mit einem Deportationszug, der von Koblenz und Aachen über Köln nach Izbica ging, deportiert.
Vermutlich wurde Heinrich direkt weiter zur Zwangsarbeit nach Majdanek verbracht, wo er am 14. August 1942 zu Tode kam, wie einer Sterbeurkunde in den Arolsen-Archiven zu entnehmen ist.
Von Selma und Ruth gibt es nach ihrer Deportation im März 1942 kein Lebenszeichen mehr. Daher muss man davon ausgehen, dass sie entweder in Izbica selbst ermordet oder wie die meisten der in das heute auch als Durchgangs-Ghetto bezeichnete Lager Izbica Deportierten im Laufe des Jahres 1942 weiter in eines der Vernichtungslager Sobibor, Belzec oder Majdanek deportiert und dort ermordet wurden.
Über Ruth Levy wissen wir aus den Erzählungen ihres Cousins Rolf Levy, der den Holocaust versteckt in Frankreich überlebte, dass sie eine sehr gläubige Jüdin war, gerne und gut lernte und davon träumte, eines Tages Juristin zu werden. Sie besuchte zunächst die jüdische Volksschule in Aachen und ab 1935 das Aachener Gymnasium St. Ursula. Diese Schule musste sie nach der Pogromnacht im November 1938 verlassen. Im Schularchiv befindet sich noch ihr Abgangszeugnis, das die Erinnerung ihres Cousins bestätigt und bezeugt, welch sehr gute Schülerin Ruth war.
Uns ist ein Foto von Heinrich Levy erhalten und zwei Fotos von Ruth. Das eine zeigt sie 1925 als Kleinkind auf dem Schoß ihrer Großmutter Sibilla Levy. Das zweite wurde 1936 anlässlich ihrer Bat-Mitzwa-Feier in der Aachener jüdischen Gemeinde aufgenommen (3. von rechts).
Fotos: Familie Levy
Bemerkung (Waltraud Felsch 2024):
Als die Stolpersteine verlegt wurden, waren viele Deportations- und Lagerlisten noch nicht zugänglich, so dass wir fälschlicherweise entsprechend einer Todeserklärung durch das Amtsgericht Aachen von 1948 davon ausgingen, dass Heinrich, Selma und Ruth Levy nach Theresienstadt deportiert und dort ermordet wurden.
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HIER WOHNTE SELMA LEVY GEB. BAUM JG. 1887 DEPORTIERT 1942 ERMORDET IN THERESIENSTADT |
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