Clahsen, Else
Seit dem 9. Juni 2022 erinnert im Johannistal 25 ein Stolperstein an Else Clahsen.
HIER WOHNTE
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(Foto: Dr. Holger A. Dux, 2022)
Über das Schicksal von Else Clahsen liegen schriftliche Aufzeichnungen ihres Sohnes, des 2015 verstorbenen Aachener Autors Helmut Clahsen, vor, die als Kurzbiographien im Gedenkbuch für die Opfer der Shoah aus Aachen und größtenteils in seinem Buch Mama, was ist ein Judenbalg veröffentlicht wurden.
Früheres Leben
Else Clahsen war eine starke Frau. Sie war eine liebende Mutter und Ehefrau. Außerdem war sie eine begabte Konzertpianistin. Am 23.11.1901 erblickte sie das Licht der Welt als jüngstes Kind von Paula Klein. Ihr Vater Siegmund war zu diesem Zeitpunkt schon fast 8 Monate tot. Als Kind ging sie auf die Jüdische Volksschule Am Bergdriesch, danach besuchte sie die Mädchenrealschule in der Eilfschornsteinstraße. Nach ihrem Abschluss studierte sie Musik und fand eine Anstellung als Pianistin am Theater Aachen.
1928 heiratete sie den nicht-jüdischen Stadtinspektor Heinrich Clahsen. Gemeinsam bekamen sie fünf Kinder. Ein großer Verlust war der Tod ihrer Zwillinge nach wenigen Wochen. 1931 bekam sie ihren Sohn Helmut, drei Jahre später Heinrich und ihr jüngstes Kind Luzia kam 1935 zur Welt. 1934 bezogen sie eine Wohnung im Johannistal 13 (heute 25). Dies war ihr letzter selbstgewählter Wohnsitz.
Helmut behielt seine Mutter Else als hübsche Frau mit tiefschwarzen Haaren und blaugrauen Augen in Erinnerung. Ihre täglichen Übungsstunden am Klavier und die Gute-Nacht-Lieder drückten ihre Liebe zur Musik und zu ihren Kindern aus. Sie war eine fröhliche und lustige Person, vor allem wenn ihre Cousine Gustel aus Berlin zu Besuch war. Die Ablehnung und der Hass ihrer katholischen Schwägerinnen machte jedoch auch sie innerlich kaputt. Ihre langjährige Freundin, alle nannten sie Tante Mary, half ihr in dieser schweren Zeit, besonders mit den Kindern.
Schicksal
Wie lebte Else Clahsen während der Verfolgung durch die NS?
Schon ab 1933 nach dem Wahlsieg der NS durfte Else Clahsen nicht mehr im Stadttheater auftreten. Da ihr Mann sie nicht verlassen wollte, wurde auch er aus seiner Anstellung bei der Stadt Aachen entlassen. Dadurch bekamen beide kein Einkommen mehr und 1938 musste Heinrich Clahsen die Eigentumswohnung im Johannistal verkaufen.
Im Juni 1937 wurde Else Clahsen mit ihren 3 Kindern durch die NS-Gesundheitsbehörde zu Reihenuntersuchungen in ein Aachener Krankenhaus beordert. Bevor sie in den Untersuchungsraum geschickt wurden, war die Stimmung schon sehr angespannt und beängstigend. Die Frauen wurden aufgefordert, sich vor allen nackt auszuziehen. Wer sich gewehrt hat, wurde auf brutale Weise geschlagen. Die Kinder mussten die Szenen hilflos miterleben. Die Frauen waren sehr beschämt.
(Textstelle aus „Mama, was ist ein Judenbalg?“)
Auch Else Clahsen weinte, als sie von der Untersuchung kam. Ein paar Monate später wurde sie durch einen Brief aufgefordert, sich in die Isolierstation zu begeben. „Ich bin doch gesund. Was wollen die von mir?“ fragte sie sich. Sie hatte große Angst, als sie die Familie verlassen musste und zunächst ins Aachener Luisenhospital und dann in verschiedene Kliniken in Wegberg und Mönchengladbach eingewiesen wurde.
Tod
Ende Januar 1941 erreichte die Todesnachricht aus der Franziskus-Heilstätte Mönchen-Gladbach die Familie von Else Clahsen. Else war tot. Die Sterbeurkunde ist auf den 27. Januar datiert. In diesen Tagen erhielten mehrere Familien im Umfeld der Familie Klein-Clahsen eine Todesnachricht über ihre hospitalisierten jüdischen Angehörigen. Wie so viel Zwangshospitalisierte damals, starb die ehemalige Pianistin wahrscheinlich an den Folgen einer gezielten „Hungerkost“. All dies begann mit der NS- Zwangsuntersuchung von jüdischen Frauen aus sogenannten Mischehen in Aachen.
(Textstelle aus „Mama, was ist ein Judenbalg?“)
(Der Stolperstein wurde initiiert von Waltraud Felsch und Schüler*innen der 9b des Einhard-Gymnasiums, Aachen)