Maas, Paul
Auf Initiative von Waltraud Felsch und Schülerinnen und Schülern des Einhard-Gymnasiums wurden am 2. November 2020 zwei Stolpersteine in der Augustastraße 12 verlegt, die an Ida und Paul Maas erinnern.
HIER WOHNTE
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Ida Maas geb. Kamp wurde am 2.7.1875 in Aachen als Tochter des Kaufmanns Hermann Kamp und seiner Ehefrau Jeanette geb. Franck geboren.
Paul Maas wurde am 24.3.1873 als Sohn des Kaufmanns Albert Maas und seiner Frau Karoline geb. Mayer in Trier geboren. Er legte 1892 am Friedrich-Wilhelm Gymnasium in Trier sein Abitur ab und studierte dann Medizin. In seiner Dissertation aus dem Jahre 1896 findet sich folgender Lebenslauf:
"Geboren wurde ich, Paul Maas, als Sohn des Kaufmannes Albert Maas und seiner Gattin Karoline geb. Mayer zu Trier am 24. März 1873. Ich besuchte die Elementarschule und das Gymnasium zu Trier und verliess letzteres Ostern 1892 mit dem Zeugnis der Reife. Im Sommersemester 1892 wurde ich in München als Student der Medizin immatrikuliert. Während der folgenden 4 Semester besuchte ich die Universität Strassburg, wo ich das Tentamen physicum bestand. Das Wintersemester 1894/5 verbrachte ich an der Universität Heidelberg. Im Sommer 1895 wurde ich in Bonn immatrikuliert und bestand daselbst am 24. Januar 1896 das Examen rigorosum."
Auch als praktizierender Arzt veröffentliche Paul Maas noch eine Reihe von wissenschaftlichen Arbeiten insbesondere zu Sprachentwicklungs- und Hörstörungen bei Kindern.
In den Aachener Adressbüchern taucht der Name Paul Maas zum ersten Mal in der Ausgabe von 1903/1904 mit dem Eintrag: „Maas, Dr. Paul, Spezialarzt für Ohren-, Nasen- und Halsleiden und Sprachstörungen. Institut für Sprachleidende und geistig Zurückgebliebene, Dahmengraben 12. Privatwohnung Boxgraben 24“ auf.
Von 1909 bis 1915 wohnte und praktizierte er in der Hochstraße 29 (heute Theaterstraße), später in der Wilhelmstraße 24 und ab 1922 schließlich in einem eigenen Haus in der Augustastraße 12. Diese Adresse ist auch in den Adressbüchern bis 1937 angegeben.
Im Straßenverzeichnis des Adressbuchs von 1922 taucht im Eintrag für das Haus Augustastraße 12 übrigens auch der Name von Ida Maas als Bewohnerin auf (meist werden dort nur die Eigentümer und die Haushaltsvorstände genannt). Der Eintrag lautet: „Maas, Ida, o. G.“ (d. h. ohne Gewerbe).
Nachdem der Namenseintrag im Personenverzeichnis des Adressbuches schon 1939 gelöscht worden war, wurden Paul und Ida Maas am 15.5.1941 gezwungen, ihr Haus in der Augustastraße zu verlassen und in das Israelitische Altenheim in der Horst-Wesselstraße 87 (Kalverbenden 87) umzuziehen. Dort lebten sie bis zu ihrem Freitod im Juni 1942.
Aus einem Brief, den das Ehepaar Maas am 7.3.1942 an das befreundete Ehepaar Blumenthal im niederländischen Exil schrieb und der uns von den Nachkommen der Blumenthals zur Verfügung gestellt wurde, seien hier einige Abschnitte zitiert:
"Meine liebe Frau Blumenthal – wie oft habe ich so gedacht, aber Ihren lieben Namen als Anfang eines Briefes hinzusetzen, dazu fehlte mir die Entschlußkraft. Es ist in dem verflossenen Jahr so viel auf mich eingestürmt, daß ich es oft kaum ertragen konnte – [...] Wir sind seit dem 15. 5. hier im Heim, haben uns unser kleines Zimmer so gut eingerichtet, wie es möglich war und wenn es aufgeräumt ist, ist es ganz behaglich. Aber da es der einzige Raum ist, der zur Verfügung ist und alles in ihm geschehen muß, nebst Zimmerarbeit und Geschirr spülen und nur von uns beiden ohne Hülfe – und noch gelegentlichem Komplettierungs-kochen und gelegentlichem Wäsche-waschen, so mögen Sie sich vorstellen, daß dieser aufgeräumte Zustand nicht allzu oft bei uns anzutreffen ist und wir selber auch nicht allzu aufgeräumt gestimmt sind. Mein Mann, als der Anpassungsfähigere hat es leichter als ich, deren Umstellungsfähigkeit die schlechteste Begabung ist. Aber durch eine gute, Konzentrationsvermögen beim Lesen, ist zu allem Negativen ein kleines Äquivalent geschaffen. Das Buch führt mich in eine Welt in der ich beheimatet bin und läßt mich den ganzen schweren Alltag vergessen. [...] Meine Schwester ist seit einem halben Jahr Großmutter einer kleinen Irene – ist es nicht ein schöner friedlicher Name? Aber das kleine Geschöpf lebt in Stockholm und meine Schwester hat nur die Gedankenfreude. Aber das ist auch eine und es tut so gut zu wissen, daß das Leben irgendwie noch seinen normalen Gang geht. Hoffentlich trifft dieser Brief Sie und Herrn Professor wohl an, wie herzlich wünschen mein Mann und ich Ihnen und den Kindern alles Gute!
Nehmen Sie beide allerherzlichste Grüße von meinem Mann und Ihrer Ida Maas.
Lieber Herr Blumenthal! Meine Frau hat das Wesentliche über uns mitgeteilt, auch dass es mir gelungen ist mich etwas schneller auf das Leben im Heim umzustellen. Der Tag vergeht mit Hausarbeit, Besorgungen und Lektüre. Es wird Sie vielleicht interessieren, dass ich den 3. Band von Lietzmanns Geschichte der alten Kirche vor Kurzem gelesen habe und sehr begeistert von der ausgezeichneten Darstellung der Konstantinischen Zeit war. Die andern Bände haben mich auch von der Philosoph-Seite her sehr interessiert, besonders die Darstellung der Gnostik im I. die ich in der Ausführlichkeit noch nirgends gefunden habe. Wir hoffen, bald von Ihnen und Ihrer l. Frau etwas zu hören.
Herzlichste Grüße Ihr Paul Maas."
Nachdem Ida und Paul Maas erfahren hatten, dass sie am 15.6.1942 mit einem Transport „in den Osten“ deportiert werden sollten, wählten sie am 14.6.1942 gemeinsam den Freitod. Ihr Grab befindet sich in Aachen auf dem jüdischen Friedhof in der Lütticher Straße.