Blankenstein, Max
Blankenstein, Max, Neumarkt 5
Auf die Spur der Familie Blankenstein kamen die Initiatorinnen der Stolpersteine sehr zufällig durch zwei lapidare Tagebucheinträge des ebenfalls von den Nationalsozialisten ermordeten Aachener Mathematikprofessors Otto Blumenthal gekommen, der die Familie auf seiner Flucht im niederländischen Arnheim getroffen hat und der seinen Alltag und seine Begegnungen im Exil in ganz knappen Kalendereinträgen dokumentiert hat. Angeregt durch seine Erwähnung der Familie haben die Initiatorinnen in Büchern und Archiven recherchiert.
Die Eheleute Max und Gertrud Blankenstein
Max Blankenstein wurde am 26. Januar 1867 in Aachen als Sohn der Eheleute Julia und Philipp Blankenstein geboren.
Seine Frau Gertrud, geborene Jacoby, wurde am 28. Oktober 1872 in Berlin geboren und Ihre beiden Kinder Erna und Alfred 1897 bzw. 1901 hier in Aachen.
Die Familie Blankenstein gehörte der Aachener Synagogengemeinde an.
Max Blankenstein war Textilkaufmann. Aus den Adressbüchern der Stadt Aachen geht hervor, dass er von 1904 bis 1922 als Prokurist bei der Aachener Textilfirma Alfred Hoeber arbeitete. Dann machte er sich vermutlich selbstständig, denn ab 1924 ist er in den Adressbüchern als Kaufmann eingetragen. Die Familie wohnte hier in Aachen u.a. im Boxgraben, in der Elisabethstraße und zuletzt hier am Neumarkt im Haus Nr. 5.
Im März 1939 flohen Max und Gertrud in die Niederlande nach Arnheim.
Nachdem auch die Niederlande von deutschen Truppen besetzt war, wurden Gertrud und Max Blankenstein am 11. Dezember 1942 nachts in Arnheim aus ihrer Wohnung geholt und in das sogenannte Durchgangslager Westerbork gebracht. Von dort aus wurden sie am 11. Januar 1943 in das Vernichtungslager Auschwitz weitertransportiert und vermutlich sofort nach ihrer Ankunft in die Gaskammern geführt und ermordet.
Erna Blankenstein
Max und Gertruds Tochter Erna wurde am 9. Mai 1897 in Aachen geboren.
In den Aachener Adressbüchern taucht Erna erstmals 1934 auf, also mit 37 Jahren, und zwar als selbstständige Damenschneiderin in der Schenkendorfstraße 1. Außerdem warb sie im November 1933 und im April 1934 mit Inseraten im Gemeindeblatt der Synagogengemeinde Aachen für von ihr angebotene Näh- und Zuschneidekurse.
Wir vermuten deshalb, dass sie vor der Selbstständigkeit eine Anstellung hatte, aber im Zuge der Verdrängung der Juden aus ihren Arbeitsstellen entlassen wurde.
Aufgrund der Einträge im Hausbuch des Hauses Neumarkt 5 wissen wir, dass Erna bis 1936 dort mit ihren Eltern gemeldet war und dann nach Zevenaar in die Niederlande emigrierte. Auf eine Anfrage beim Gemeindearchiv von Zevenaar erhielten wir die Auskunft, dass Erna von Mitte 1935 bis Anfang 1937 als Haushälterin bei einem älteren Ehepaar in Zevenaar gearbeitet hat und nach dem Tod der Frau im Februar 1937 nach Arnheim weitergewandert ist.
Nach der Flucht ihrer Eltern wohnte sie schließlich einige Zeit mit ihrem Bruder und ihren Eltern zusammen in Arnheim, von wo sie alle am 11.Dezember 1942 nach Westerbork gebracht und dort interniert wurden.
Fünf Wochen nach ihren Eltern, am 16. Februar 1943, wurde Erna gemeinsam mit ihrem Bruder ebenfalls nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
Alfred Blankenstein
Ernas Bruder Alfred wurde am 11. Mai 1901 in Aachen geboren.
Nach seinem Chemie-Studium in seiner Geburtsstadt und der Promotion 1929 in Frankfurt a. M. kehrte er nach Aachen zurück und arbeitete eine Zeit lang im Laboratorium des Rheuma - Forschungsinstituts beim Landesbad. In den nächsten Jahren veröffentlichte er in verschiedenen wissenschaftlichen Fachzeitschriften mindestens acht Forschungsberichte aus diesem Institut, was darauf hindeutet, dass er eine wissenschaftliche Laufbahn anstrebte.
Aus der im Jahre 1936 von der Notgemeinschaft Deutscher Wissenschaftler im Ausland herausgegebenen Liste „Displaced German Scholars: A guide to academics in peril in Nazi Germany“ geht hervor, dass er von 1932 bis 1933 Assistent an der TH Aachen war und 1934 in die Niederlande emigrierte.
Am 28. Juni 1940, anderthalb Monate nach dem Überfall der deutschen Truppen auf die Niederlande, wurde Alfred Blankenstein in Arnheim, dem Zufluchtsort der Familie, von einem Einsatzkommando der Gestapo verhaftet und nach Deutschland in das Gefängnis Emmerich gebracht. Jedoch gab es keine formale Anklage gegen ihn und im Juli oder August 1940 wurde er nach Aachen überstellt. Vermutlich wurde er bald darauf freigelassen, denn aus dem eingangs erwähnten Tagebuch geht hervor, dass Otto Blumenthal ihn am 15. September 1940 in Arnheim getroffen hat.
Am 11. Dezember 1942 wurde er wie seine gesamte Familie in Arnheim erneut verhaftet und in das Lager Westerbork gebracht. Am 16. Februar 1943 wurde er gemeinsam mit seiner Schwester nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
Alle Daten und Fakten über die Familie kennen wir nur aus amtlichen Akten, aus Listen und Inseraten. Wir möchten deshalb schließen mit dem einzigen uns überlieferten Dokument, das die Blankensteins in ihrer Persönlichkeit wahrnimmt.
Am 15. September 1940 notiert Otto Blumenthal in seinem Tagebuch:
"Dr. Blankenstein (früher Aachen), mir völlig unbekannt, aber früherer Schüler, hat auf Umwegen von unserem Hiersein gehört und bietet uns in freundlichster Weise seine Hilfe an."
Und am 17. September 1940:
"Besuch bei den früheren Aachenern Blankenstein: Mutter macht schöne Handarbeiten."
Die Initiator*innen der Stolpersteine: Ava, Cara, Claire, Filip, Felicia, Mara und Solveig (Stufe 11, Einhard-Gymnasium) begleitet durch Waltraud Felsch und Bettina Baumann.
Seit dem 01. Februar 2018 liegen auf dem Neumarkt 5 vier Stolpersteine. Sie erinnern an die Familie Blankenstein.
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