Alexianergraben 8
Seit dem 9. Juni 2022 erinnert am Alexianergraben 8 ein Stolperstein an Maria May. Initiiert wurde der Stolperstein von der Bischöflichen Marienschule Aachen.
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(Foto: Dr. Holger A. Dux, 2022)
Maria May wurde am 27. Mai 1902 in Aachen geboren. Sie war die Tochter von Johann Josef Mathias May und Catharina May. Die Mutter starb im Jahr 1936 an einer Herzerkrankung. Die Familie lebte hier auf dem Alexianergraben. Maria May war katholisch.
Von Ostern 1909 bis Ende September 1917 besuchte Maria May die in der Harscampstraße gelegene „Marienschule zu Aachen“. Sie war eine gute Schülerin. Nur die Fächer „Turnen“ und „Handarbeit“ scheinen ihr weniger Freude gemacht zu haben. 1917 wurde sie aus der Schule entlassen.
Nach ihrer Schulentlassung lebte Maria May bei ihren Eltern. Nach dem Tod ihrer Mutter wurde Maria May am 3. November 1937 in die Rheinische Provinzial- Heil- und Pflegeanstalt in Düren aufgenommen. Das dort für sie erstellte Krankenblatt beschreibt Maria May als „widerstrebend, frech, und unfolgsam“. Sie sei „immer schwachsinnig“ gewesen. Mit dem Hinweis „der Großvater väterlicherseits sei Alkoholiker gewesen“ erfolgte zudem eine Abwertung von Maria May. Nach der Rassenlehre der Nationalsozialisten stellte Alkoholismus eine Erbkrankheit dar.
Am 20. November 1937 stellte der Direktor der Anstalt den Antrag, Maria May unfruchtbar zu machen, sodass sie keine Kinder bekommen könnte. Als Grundlage dazu diente das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses”. Die vom Anstaltsdirektor festgesetzte Diagnose lautete: „Angeborener Schwachsinn“. Das Erbgesundheitsgericht in Aachen folgte diesem Antrag und eröffnete ein Verfahren gegen Maria May. Für die Begutachtung wurde zwar ihr Entlassungszeugnis von der Marienschule angefordert, die Gutachter berücksichtigten dieses jedoch nicht. Maria May wurde als „vollkommen bildungsunfähig“ dargestellt. Zudem könne sie „überhaupt nicht rechnen“.
Am 3. Januar 1938 beschloss das Erbgesundheitsgericht die Unfruchtbarmachung von Maria May wegen „angeborenen Schwachsinns“. Der Vater, Mathias May, war mit dem Eingriff nicht einverstanden und legte gegen diesen Beschluss Widerspruch ein. Er erklärte, seine Tochter werde nicht heiraten und sei unter ständiger Aufsicht. Das dem Amtsgericht Aachen zugeordnete Erbgesundheitsgericht lehnte den Widerspruch ab, da der Vater nicht garantieren könne, dass Maria niemals heiraten würde. Das Gericht war der Meinung, dass es im Interesse des Volkes sei, dass Maria niemals Kinder bekommt.
Mathias May stimmte dem Zwangseingriff dann doch zu, da Maria dann wieder bei ihm Zuhause wohnen durfte. Maria May wurde am 14. April 1938 in das Luisen-Hospital in Aachen überwiesen und dort zwangsweise sterilisiert. Daraufhin durfte sie wieder bei ihrem Vater leben. Dort lebte sie von Anfang Mai Ende Juni 1938.
Zum 30. Juni 1938 erfolgte ihre Wiederaufnahme in die Heil- und Pflegeanstalt in Düren, wo sie bis zum Jahr 1941 verbleibt. Sie erhielt regelmäßig Besuch von ihrem Vater und ihrer Tante aus Aachen. Am 1. Juli 1940 wurde in der Heil- und Pflegeanstalt Düren ein „Meldebogen“ für Maria May ausgefertigt. Demnach wurde Maria May mit „Silberpapierarbeiten“ beschäftigt. Eine Entlassung von Maria May sei nicht zu erwarten, auch sei ihr Leiden „angeboren“. Als Symptome ihrer „Erkrankung“ wurde angegeben, sie sei „unordentlich, undiszipliniert, (…) „sehr laut und störend“.
Am 11. Juli 1941 wurde Maria May aus Düren in die „Zwischenanstalt“ Andernach gebracht. Am 15. August 1941 wurde sie von dort aus, gemeinsam mit 75 Menschen, in die Tötungsanstalt Hadamar gebracht. Maria May und viele weitere Menschen wurden noch am Tag ihrer Ankunft in Hadamar ermordet.
Maria May wurde nach der als „Anstaltsaufnahme“ getarnten Ankunft in der Tötungsanstalt in die Gaskammer geführt, die den Anschein eines Duschraums vermittelte. In den luftdicht abgeriegelten Raum wurde Kohlenmonoxyd-Gas eingeleitet. Durch ein Sichtfenster wurde überprüft, dass niemand mehr am Leben war. Anschließend wurden die Ermordeten in Öfen verbrannt und die Asche an einen unbekannten Ort gebracht.
Die Familie von Maria May wurde vermutlich erst 14 Tage nach ihrem Tod informiert. Die Nationalsozialisten haben in diesem Zeitraum noch Geld für die Pflegekosten bekommen.
Der letzte Eintrag in der Krankenakte von Maria May lautet: „Überführt durch die Gemeinnützige-Krankentransport G.m.b.H. in Berlin, Potsdamer Platz 1 am 15. 8. 1941“
(Den Text verfassten Schülerinnen und Schülern der Bischöfliche Marienschule Aachen.)