Frankenberger Straße 20
Am 2. November 2020 wurden auf Initiative von Waltraud Felsch und Schülerinnen und Schülern des Einhard-Gymnasiums zwei Stolpersteine in der Frankenberger Straße 20 verlegt, die an Gertrud und Adolf Rosenthal erinnern.
HIER WOHNTE
HIER WOHNTE
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Auf das Ehepaar Rosenthal wurden wir aufmerksam durch erhalten gebliebene Briefe der Aachenerin Anna Amberg, die ebenfalls von den Nationalsozialisten ermordet wurde und für die im Jahr 2009 in der Salierallee ein Stolperstein verlegt wurde. Sie berichtet darin ihren nach England emigrierten Kindern, dass sie ihr Haus verlassen muss und in der Wohnung des Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde, Adolf Rosenthal, in der Frankenberger Straße 20 Unterkunft findet und dort von den Eheleuten Rosenthal sehr freundlich aufgenommen wird. So schrieb sie in einem Brief an ihren Sohn Carl vom 2. Mai 1941:
.... Seit 23.3. bin ich hier, bei Landgerichtsdirektor Dr. R. und Frau, Eltern der Marianne, die damals mit dem Auto tödlich verunglückte. [ ... ] Es geht mir hier so gut wie wenn ich bei Verwandten zu Besuch bin. Feine liebe Menschen. ....
Erika Hessberg, eine Freundin von Anna Amberg, die sie bis zur Deportation hier in Aachen begleitet hatte, schrieb im April 1946 in einem Brief an Anna Ambergs Kinder:
... Es war ja für sie [Anna Amberg], fast möchte ich sagen eine große Gnade, dass sie dort [bei dem Ehepaar Rosenthal in der Frankenberger Straße] wohnen durfte und nicht irgendwo anders hin musste. Frau Rosenthal war eine so unendlich gütige Frau und er – bei seinen vielen Schwierigkeiten – trotzdem ein so feiner und anregender Mann – sicher sind beide in dieser Notzeit, die für sie ja durch den Schwiegersohn noch besonders hart war, weit über das hinausgewachsen, wie ihr sie früher gekannt habt. Jedenfalls haben sie mit ganz großer Liebe an Mutti gehangen – und in dieser kleinen, von Notleidenden und oft verzweifelten Menschen immer überfüllten Wohnung ging eine Welle der Harmonie und Ruhe und Hilfe aus, wie es wahrscheinlich in keinem Nazi-Haus war. ...
Adolf Rosenthal wurde am 11.8.1873 in Mayen als Sohn der Eheleute Elias Rosenthal und Amalie geb. May geboren. Er studierte Rechtswissenschaften in Köln und war ab 1908 Landrichter und ab 1927 Landgerichtsdirektor am Landgericht Aachen. Am 30.5.1913 heiratete er Gertrud Heilbrunn, die am 30.8.1884 in Erfurt geborene Tochter der Eheleute Leopold Heilbrunn und Hedwig geb. Heimbach.
In den Aachener Adressbüchern ist dokumentiert, dass das Ehepaar Rosenthal zunächst in der Kaiserallee 87 und schließlich ab 1932 in der Frankenberger Straße 20 wohnte.
Gertrud und Adolf Rosenthal hatten eine Tochter Marianne, die am 21. Februar 1914 in Aachen geboren wurde.
In der Dokumentation Zwischen Kaiserstadt und Konzentrationslager aus dem Jahr 2008 über jüdische Alpenvereinsmitglieder in der Sektion Aachen wird berichtet, dass der Landrichter Dr. Adolf Rosenthal 1910 der Aachener Sektion beitrat und auch an Eifelwanderungen teilnahm. Auf der erhalten gebliebenen Mitgliederliste von 1925 ist er ebenfalls aufgeführt. Spätestens im Jahre 1937 mussten alle jüdischen Mitglieder den Verein verlassen.
Die Tochter Marianne Rosenthal heiratete im November 1934 den in Aachen geborenen Kaufmann Hans Rosenberg. In den Jahren 1936 und 1938 wurden Adolf und Gertrud Rosenthal Großeltern der beiden jeweils in London geborenen Enkelsöhne. Der jüngste Enkel lebt heute noch in den Niederlanden. Er berichtet, dass Marianne Rosenberg, geb. Rosenthal sehr vorausschauend zur Niederkunft jeweils nach London reiste, damit die Kinder die britische Staatsangehörigkeit bekamen.
Tragischerweise verstarb die junge Mutter am 5. Juli 1938 in Aachen im Louisenhospital an den Folgen eines Verkehrsunfalls.
Ihr Mann, der Schwiegersohn von Gertrud und Adolf Rosenthal emigrierte Ende 1938 nach Amsterdam. Aus dem Hausbuch der Frankenbergerstraße 20 geht hervor, dass die beiden Kleinkinder im Dezember 1938 und im Januar 1939 bei den Großeltern Rosenthal untergebracht waren und Ende Januar 1939 von dort aus zu ihrem Vater nach Amsterdam zogen. Der Schwiegersohn Hans Rosenberg wurde 1941 in Amsterdam von den deutschen Besatzern inhaftiert, später deportiert und ebenfalls ermordet. Auf dieses Schicksal bezieht sich der Hinweis auf den Schwiegersohn in dem oben zitierten Brief von Erika Hessberg. Die beiden Kleinkinder überlebten dank der Hilfe einer niederländischen Pflegemutter.
Ab 1924 war Adolf Rosenthal gewähltes Mitglied der Repräsentantenversammlung der Aachener Synagogengemeinde – mit der mit Abstand höchsten Stimmenzahl - und von Beginn an bis zur Auflösung der Gemeinde durchgehend auch Vorsitzender der Repräsentantenversammlung. Nach der Emigration des Gemeindevorstands hat er offensichtlich in der sich auflösenden jüdischen Gemeinde auch dessen Aufgaben übernommen und vielen Gemeindemitgliedern in den letzten schweren Tagen vor der Deportation zur Seite gestanden.
Mit dem letzten Transport aus Aachen wurden Gertrud und Adolf Rosenthal am 18.6. 1943 nach Theresienstadt und am 20. 10. 1944 weiter nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.